Was erwartet Gott von mir? Teil 2
Geschreven door Reinhold PhilippIm Jahr 2014 starteten die Remonstranten in den Niederlanden eine Werbekampagne. Werbeplakate waren an vielen Bahnhöfen zu sehen mit unter anderem diesen Texten:
Mein Gott traut* auch Schwule (*schenkt ihnen seinen Segen)
Mein Gott hat Humor
Mein Gott zwingt mich zu nichts
Mein Gott ermutigt mich, selbst nachzudenken
Mein Gott glaubt an mich
Anlässlich des 10. Geburtstages der Werbekampagne erschien am 10. Dezember 2024 ein neues Buch aus der Reihe der Remonstranten unter dem gleichen Titel Mijn God, also: Mein Gott. Dreizehn remonstrantische Theolog*innen schreiben in diesem Taschenbuch über die theologischen Begriffe Mensch, Gott, Jesus, Geist, Kirche und Zukunft. In ihren Beiträgen wird auch deutlich, was sie persönlich berührt.
Für mich ist in diesen 10 Jahren das letzte der obenstehenden fünf Werbesprüche immer wichtiger geworden: Mein Gott glaubt an mich. Auf die Frage, woran er glaubt, antwortete der Sänger Nick Cave in einem neulich erschienenen Interviewbuch sehr ähnlich: Ich denke, wir sollten nicht ständig danach suchen, woran wir glauben, sondern nach demjenigen, der an uns glauben will. Diesen Gedanken beschreibt auch Pfarrerin Claartje Kruijff in ihrem neuesten Buch mit dem Titel Ein Gott, der an mich glaubt. Wenn Menschen sie fragen, ob sie an Gott glaubt oder an welchen Gott sie glaubt, bevorzugt sie es, in ihrer Antwort die Frage umzukehren: Es geht nicht um meinen Glauben an Gott, sondern um Gottes Bereitschaft, an mich zu glauben.
Das Jahresthema für 2025 der Remonstranten lautet: Was erwartet Gott von mir? Ich denke, dass jede*r diese Frage nur für sich selbst beantworten kann. Für mich heißt es Folgendes: Gott sagt in Exodus 3 zu Moses: Du brauchst nicht fehlerlos und perfekt zu sein. Ich glaube an dich. Ich brauche dich als meine Stimme, als meine Hände und Füße. Ich werde bei dir sein.
Elizabeth Barrett Browning schreibt in ihrem Gedicht Der brennende Busch:
Die Erde ist voller Himmel, und jeder Busch,
wie unbedeutend er auch sein mag, steht in Flammen für Gott.
Aber nur wer es sieht, zieht seine Schuhe aus.
Die anderen stehen drum herum und pflücken Brombeeren.
Persönlich bin ich schon einige Jahre davon überzeugt, dass Gott von mir dasselbe verlangt wie von Moses:
Sieh Unterdrückung und Ausbeutung!
Höre die Schreie der Menschen in Angst und Not!
Sei meine Stimme, um Ungerechtigkeit anzuprangern!
Sei meine Hände und Füße, um mit den Menschen zu arbeiten an einer neuen Welt der Liebe und des Friedens!
Reinhold Philipp
(Pfarrer in der remonstrantischen Gemeinde Den Haag)